Informationen für Eltern und Betroffene

  • Verhaltensauffällig?
  • Lernblockaden?
  • Konzentrationsprobleme?

Hilfe für sensomotorisch unreife Kinder

  • Welche Kinder sind verhaltensauffällig?
  • Woher kommen Konzentrationsprobleme und Lernblockaden?

Bei Kindern mit Lernblockaden und Konzentrationsproblemen findet sich häufig eine neurophysiologische Entwicklungsverzögerung. Diese neurophysiologische Unreife kann auch zu einem auffälligen Verhalten führen. Ein auffälliges Verhalten gilt sowohl für die mangelnde Impulskontrolle und eine geringe Frustrationstoleranz, wie auch für ein sehr zurückhaltendes und abweisendes / abwesendes Verhalten.

Nicht selten zeigen sich einzelne oder mehrere der folgenden Symptome wie Hyperaktivität, ADHS, Lese-Rechtschreibschwäche oder unkontrollierte Wutausbrüche…

Auch Erwachsene können betroffen sein.

Kinder mit Lernblockaden und Konzentrations-Problemen

Hintergrundinformationen zum Therapieansatz

Die Neurophysiologische Entwicklungsförderung DGNE® ist ein ganzheitlicher Ansatz. Frühe kindliche Bewegungsmuster beeinflussen die weitere Entwicklung und legen eine Basis für motorische, sozial-emotionale und kognitive Fähigkeiten.

Zur Geschichte der Neurophysiologischen Entwicklungsförderung:

Die Neurophysiologische Entwicklungsförderung wird kontinuierlich weiterentwickelt. Aus den neurophysiologischen Entwicklungsförderern NDT/INPP® wurde im Rahmen der Umbenennung zur Deutschen Gesellschaft für neurophysiologische Entwicklung e.V. die Neurophysiologische Entwicklungsförderung DGNE. Die Erfahrungen aus der Praxis, intensive Arbeit in den Regionalgruppen und dem Qualitätskreis hat nun den Weg für das NEL Training® bereitet. Das NEL Training orientiert sich an den wissenschaftlichen Erkenntnissen aus den Bereichen Medizin, Psychologie und Pädagogik.

Was sind frühkindliche Bewegungsmuster und wie beeinflussen diese die Entwicklung vom Säugling bis zum großen Kind und schließlich zum Erwachsenen?

Wie entwickeln sich motorische Auffälligkeiten wie Gleichgewichtsprobleme, Wahrnehmungsschwierigkeiten oder Bewegungsunruhe. Es lohnt sich, danach zu fragen, was der Grund für diese Probleme sein kann. So eröffnet sich die Möglichkeit, an den Ursachen anzusetzen, statt nur an den Symptomen zu arbeiten.

Hintergrund

Leben und Bewegung sind untrennbar miteinander verbunden.

Das Kind muss sich im Mutterleib bewegen, um sich entwickeln zu können. Die Bewegung ist der Motor der Hirnreifung und zugleich ihr Ergebnis. Je ausgereifter das Gehirn, desto koordinierter und komplexer sind die Bewegungsmuster. Während der Schwangerschaft, der Geburt und in den allerersten Lebensmonaten bewegt sich das Kind mit Hilfe von Reflexen. Diese früh kindlichen Reflexe sind automatisch ablaufende, stereotype (immer gleiche) Bewegungen. Sie werden vom entwicklungsgeschichtlich frühesten Teil des Gehirns durch bestimmte Reize ausgelöst.

Mit dem Fortschreiten der Hirnreifung und der damit auch verbundenen Herausbildung der Willkürmotorik (absichtliche Bewegungen) und der Kopfkontrolle müssen diese ersten unwillkürlichen Bewegungen, die bis dahin die Entwicklung vorangetrieben haben, integriert werden. Ihr Fortbestehen würde die weitere Entwicklung jetzt behindern. Die übergeordneten Halte- und Stellreaktionen ermöglichen es, differenzierte Bewegungsmuster auszuführen (z.B. Fahrradfahren) und mühelos vielfältige Körperpositionen einzunehmen. Die Ausreifung der Halte, Stell und Gleichgewichtsreaktionen ist untrennbar mit der sensomotorischen und psychosozialen Entwicklung verbunden.

Wir wissen, dass viele Kinder mit den beschriebenen Auffälligkeiten auf frühe unreife, für sie aber bekannte und bewährte Muster zurückgreifen und sich als Folge davon einige Halte und Stellreaktionen nicht voll ständig entwickelt haben. Diese Schwierigkeiten haben nichts mit mangelnder Intelligenz zu tun. Häufig haben diese Kinder wegen ihrer anhaltenden Probleme schon verschiedene Therapien ohne deutlichen Erfolg durchlaufen.

Das NEL Training® gibt diesen Kindern die Chance, an den Ursachen ihrer Probleme zu arbeiten und nicht nur an den Symptomen. Das Bewegungsübungsprogramm ermöglicht es, nicht durchlaufene Entwicklungsschritte in einem zweiten Anlauf nachzuholen. Unwillkürliche und unreife Bewegungsmuster werden mit Hilfe des Übungsprogramms in reife, differenzierte motorische Muster umgewandelt. Damit bekommt das Kind ein stabiles Fundament für seine weitere Entwicklung.

Die Erkenntnisse von der Entwicklung des Menschen haben kontinuierlich Entwicklungstheorien hervorgebracht. Bis heute gilt die Erkenntnis, dass jedes Kind „Grenzsteine“ der Entwicklung für seine motorische und sensorische Reife benötigt. In der motorischen Entwicklung ist jede erreichte Stufe die Vorbereitung für die nächsthöhere. Dieses Wissen war die Grundlage für die physiotherapeutischen Therapien nach Bobath oder Vojta (1950er Jahre), in denen die motorische Reifung im Fokus steht.

Jean Ayres, Ergotherapeutin und pädagogische Psychologin, hat die motorische Entwicklung des Kindes mit der sensorischen Reife in Bezug gesetzt. In den 70er Jahren beschrieb sie die Integration von Sinneseindrücken als neurologischen Prozess und bezeichnete diesen als Sensorische Integration. Sie entwickelte die SI-Therapie, die durch gezielte Reizzufuhr die Verarbeitung und Integration von Sinneseindrücken verbessern soll und damit die Planung und Organisation im Verhalten fördert.

Das Institut für Neuro-Physiologische Psychologie (INPP) in Chester hat sich wertvolle Verdienste in dem „Brückenschlag“ zwischen Motorik, Sensorik und Lernen erworben. Das in den 70er Jahren erarbeitete Übungsprogramm ist die Grundlage für die Neurophysiologische Entwicklungsförderung DGNE®. Die DGNE e. V. hat sich die Aufgabe gestellt, die Neurophysiologische Entwicklungsförderung DGNE® kontinuierlich nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen weiter zu entwickeln und anzupassen. So wurde das NEL Training® erarbeitet.

Beispiele frühkindlicher Reflexe

Die frühkindlichen Reflexe reifen während der Schwangerschaft heran und haben damit einen Anteil an der vorgeburtlichen Entwicklung des Kindes bezogen auf den Tonus, die Gleichgewichtsentwicklung und die neuronalen Verknüpfungen. Unter der Geburt helfen sie dem Kind aufgrund der tonischen Bewegungsmuster den Geburtsvorgang zu unterstützen. Nachgeburtlich sollen die frühkindlichen Reflexe durch die beginnende neuro-motorische Aufrichtung und der damit verbundenen Kopfkontrolle innerhalb der ersten Monate abgelöst werden.

TLR – Tonischer Labyrinth Reflex

TLR im Beugemuster:
Entstehung: 12. Schwangerschaftswoche
Waltezeit: 3. – 4. Lebensmonat
Eine Beugung des Kopfes nach vorne löst eine Beugung des Körpers aus.

TLR im Streckmuster:
Entstehung: ausgelöst bei der Geburt
Waltezeit: Schrittweise Aufrichtung ab 6. Lebenswoche bis zum Alter von 3 Jahren bei gleichzeitiger Entwicklung der Halte- und Stellreaktionen.
Die Streckung des Kopfes fördert die wichtige Entwicklung aus der Beugung und leitet so die Aufrichtung gegen die Schwerkraft ein. Der TLR ermöglicht dem Baby erste Sinneswahrnehmungen für Gleichgewicht und Raum.

Mögliche Auswirkungen durch fortbestehende frühkindliche Bewegungsmuster des TLR:

  1. Alle folgenden Halte- und Stellreaktionen entwickeln sich nicht vollständig. Die Folge der mangelnden Kopfkontrolle ist die Beeinträchtigung der Augenmuskelfunktionen (vestibulo – okularer Reflexbogen). Das Gleichgewicht wird durch fehlerhafte visuelle Informationen beeinflusst und das Sehvermögen über eine schlechte Balance beeinträchtigt.
  2. Schwierigkeiten in der Seh-, Hör- und/oder Raumwahrnehmung
  3. Probleme mit dem Gleichgewicht: Ein perfekt arbeitendes Gleichgewichtssystem zeigt sich im Stillstehen!
  4. Restreaktionen des TLR behindern das Krabbeln. Die Krabbelphase ist ein wichtiger Entwicklungsschritt im Leben des Kindes, um Koordination, Gleichgewicht und Augenmuskelfunktionen miteinander zu verbinden.

Tonische Restreaktionen – TLR im Beugemuster:

  1. Auffällige Körperhaltung – z. B. Rundrücken
  2. Hypotonie (geringe Muskelspannung)
  3. Mangelnde Bewegungsfreude, Abneigung gegen sportliche Aktivitäten
  4. Höhenangst / Reisekrankheit

Tonische Restreaktionen – TLR im Streckmuster:

  1. Auffällige Körperhaltung – z. B. Neigung auf Zehenspitzen zu gehen/ Hyperlordose
  2. Schlechte Balance und Koordination der Bewegung
  3. Hypertonie (erhöhte Muskelspannung)
  4. Strukturmangel in Zeit und Raum (Tag- und Nachtrhythmus, Dosierung der Bewegung, Erkennen grammatikalischer Strukturen, Organisationsfähigkeit)

Moro-Reflex

Entstehung: 9.–12. Schwangerschaftswoche
Waltezeit: 2.–4. Lebensmonat
wird umgewandelt in eine Erwachsenenschreckreaktion

Auslöser des Moro-Reflexes:

  1. vestibulär – drohender Verlust des Gleichgewichtes
  2. auditiv – plötzliche Veränderungen der Lautstärke etc.
  3. visuell – plötzliche Veränderung der Sicht (dunkel, hell, etc.)
  4. taktil – plötzliche Veränderungen durch Berührung oder Schmerz
  5. plötzliche unerwartete Reize jeglicher Art

Der Moro-Reflex ist die früheste Reaktion auf eine Lageunsicherheit.

Wird der Moro-Reflex ausgelöst, erfolgt eine unmittelbare Erregung, die einhergeht mit

  • dem Anstieg der Atemfrequenz
  • der Beschleunigung des Herzschlages
  • dem Anstieg des Blutdrucks
  • einer Rötung der Haut
  • und eventuellen Wutausbrüchen oder Tränen

Mögliche Auswirkungen durch fortbestehende frühkindliche Bewegungsmuster des Moro-Reflexes:

Frühkindliche Reflexe

  1. Die Kinder sind hypersensibel. Sie reagieren oft nicht situationsangemessen. In allen Wahrnehmungssystemen (Sehen, Hören, Fühlen, Riechen, Schmecken) kann es zu einer Reizüberflutung kommen.
  2. Das Gleichgewicht und die Eigenwahrnehmung sind beeinträchtigt.
  3. Restreaktionen des Moro-Reflexes haben Auswirkungen auf das gesamte sozial-emotionale Verhalten des Kindes. Dadurch kommt es zu einer deutlichen Diskrepanz zwischen kognitiver und motorischer Reife.
  4. Bei Erwachsenen können sich überängstliche oder depressive Verhaltensweisen und wenig selbstbewusstes, selbstkritisches Handeln zeigen. Auch Angstneurosen und Panikattacken werden mit Restreaktionen eines Moro-Reflexes in Verbindung gebracht.
  5. Es kann auch eine Hochbegabung auftreten!

ATNR – Asymmetrischer Tonischer Nackenreflex/Fechterstellung

Entstehung: 18. Schwangerschaftswoche
Waltezeit: ca. im 6. Lebensmonat im Wachzustand, im Schlaf bis zum 3. Lebensjahr möglich.

Der Reflex wird über die Kopfdrehung zur Seite ausgelöst, dabei strecken sich Arm und Bein der Gesichtsseite und die Gliedmaßen der Hinterhauptseite beugen sich. Durch die Verbindung von Kopf-, Augen- und Armbewegung bildet der ATNR/Fechterstellung die Grundlage für ein erstes Training der Zusammenarbeit von Auge und Hand und damit eine fundamentale Voraussetzung für alles spätere Lernen in der Schule.

Mögliche Auswirkungen durch fortbestehende frühkindliche Bewegungsmuster des ATNR / Fechterstellung:

  1. Die Kopfbewegung ist nicht unabhängig von der Körperbewegung möglich
  2. Die Fähigkeit, die Körpermittellinie zu überkreuzen, ist erschwert
  3. Schwierigkeiten der Augenmuskelmotorik und der visuellen Wahrnehmung
  4. Homolaterale (einseitige) statt alternierender (überkreuzender) Bewegungsmuster, wechselnde Lateralität (Seitigkeit)
  5. Mögliche Auswirkungen in der Schule:
  • Zeilen können nicht eingehalten werden
  • Schreiben und gleichzeitige Kopfbewegung (Blick zur Tafel), lassen den Stift wegrutschen
  • Lese- und Rechtschreibprobleme
  • Erlernen der Schreibschrift ist erschwert.

Zielsetzungen

Motorische Aktionen sind die Grundlage für Lernen und Kognition. Die Unreife als Folge mangelnder Aufrichtung in der kindlichen Entwicklung und tonische Dysbalancen erfordern vom Kind große kompensatorische Leistungen, die zu einer schnellen Ermüdung und zu einer eingeschränkten Konzentrationsfähigkeit führen.

Die Anwesenheit frühkindlicher Reflexe wurde bisher ausschließlich als Symptom hirnorganischer Schädigungen angesehen. In der alltäglichen Erziehungs- und Schulpraxis zeigt sich jedoch, dass auch bei Kindern ohne diese Schädigungen noch Reste solcher Muster zu beobachten sind. Die daraus resultierende mangelnde Bewegungskontrolle erschwert die motorische, sensorische und sozialemotionale Reife.

Die Möglichkeit, hinter vielen Lern-, Verhaltens-, Bewegungs- und Wahrnehmungsproblemen bei Kindern neurophysiologische Reifestörungen in Gestalt fortbestehender Restreaktionen frühkindlicher Reflexe zu entdecken, bietet einen ganzheitlichen Blick auf die Probleme. Lageunsicherheiten, eingeschränkte Kopf-zu-Körperbewegung und Koordinationsstörungen tonischen frühkindlichen Bewegungsmustern zuordnen zu können, eröffnet ganz neue Chancen, diesen Kindern zu helfen, indem an den Ursachen und nicht an den Symptomen angesetzt wird.

Das Ziel des NEL Trainings® ist es, dafür zu sorgen, dass diese Kinder ihr mitgebrachtes Potenzial ungestört und selbstregulierend nutzen können.

Was kann man tun?

Wie sieht die Therapie aus, die an den Ursachen der Probleme ansetzt?

Wenn man verstanden hat, dass ein Mensch schon im Mutterleib, bei der Geburt und auch in den ersten Lebensmonaten entscheidende Erfahrungen macht und Bewegungen ausführt, die für die weiteren Entwicklungsschritte wichtig sind, erkennt man, dass ein Therapieansatz auch entsprechend früh ansetzen muss.

Dies setzt die Neurophysiologische Entwicklungsförderung DGNE® – zukünftig das NEL Training – um.

Wo finde ich qualifizierte Hilfe?

Hier finden Sie eine Auflistung der Therapeuten, die in Ihrer Nähe mit der Neurophysiologischen Entwicklungstherapie arbeiten. Sie ist nach Postleitzahlen sortiert:

Therapeuten für die Neurophysiologische Entwicklungsförderung DGNE® / NEL Training

Welche Kosten entstehen?

Die Neurophysiologische Entwicklungsförderung ist eine Privatleistung. Die Deutsche Gesellschaft für Neurophysiologische Entwicklung DGNE® gibt eine Honorarempfehlung:

DGNE-Honorarempfehlung